Hohenloher Gartenparadies | Gartenträume 2023/2024

25 | Schönheit aller Arten im Schlossgarten von Weikersheim Blüte in der Nachtigall Ende April strecken die schmalen glockenförmigen Blüten leuchtend ihre Köpfe der Sonne entgegen. In einem satten Gelb strahlen sie mit ihr um die Wette. Insekten lassen sich von der duftenden Krone im Inneren der Blüte heranlocken – welch ein Farben- und Duftzauber! Doch die Rede ist nicht von einer späten Narzissenblüte, sondern von der Blüte der Weinbergtulpen (Tulipa sylvestris) im und am Rande des Schlossgartens Weikersheim. Zum Beispiel entlang des verwunschenen Wegs entlang der Tauber, der durch ein kleines Wäldchen mit dem geheimnisvollen Namen Nachtigall führt. Der Schlossgarten von Weikersheim ist ein einzigartiges Paradies. Graf Carl Ludwig von Hohenlohe-Weikersheim ließ seinen formenreichen Barockgarten auf der Südseite seines Schlosses in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts anlegen. Doch nicht nur sein Formenreichtum an originalen Statuen, Springbrunnen und Orangerie begeistert heute, sondern auch sein Artenreichtum, der hier besonders gefördert wird. Biozertifiziert ist das Ziel Nicht nur die Weinbergtulpe ist ein seltenes Gewächs, das in Weikersheim gedeiht, auch bedrohte Fauna wie der zierliche Bluthänfling fühlt sich hier wohl. Damit noch mehr seltene und vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tiere sich hier ansiedeln, nehmen die Gärtnerinnen viel Mühe im Kauf. Aktuell ist der Regiebetrieb der Staatlichen Schlösser und Gärten in einem Prozess der Umstellung: Die Weikersheimer Hofgärtnerei soll biozertifiziert werden. Das ist nicht ganz einfach, wenn man einen historischen Garten zu bewahren und zu pflegen hat. Dünger und vor allem Pflanzenschutzmittel müssen strengen Kriterien entsprechen, bevor man sich mit dem Siegel „biozertifiziert“ präsentieren kann. Der Botanische Garten in Karlsruhe, der den Prozess bereits durchlaufen hat, unterstützt die Weikersheimer Kolleginnen bei der Umstellung. An anderer Stelle, im Obstgarten vor dem eleganten Teehaus, soll sich eine Wiese entwickeln, die, mit heimischen Kräutern bewachsen, vielen Insekten eine Heimat bieten kann. Einfach wachsen lassen? Mitnichten! Auch dies ist ein Projekt, das viel Zeit und Erfahrung benötigt, wenn genau die Pflanzen sich in einer Wiese verwurzeln sollen, die perfekt zu diesem Standort passen. Denn vor allem der Zeitpunkt des Mähens einmal im Jahr ist entscheidend: Wird zu spät gemäht, setzen sich Gräser gegen die Kräuter durch. Überhaupt muss die Mahd so vorgenommen werden, dass die Insekten, die schon in der Wiese leben, dabei nicht alle ihres Lebensraums beraubt werden. Gelbe Süße im Kastellangarten Wer es etwas exotischer bevorzugt, dem sei die historisch belegte Ananaszucht in Weikersheim ans Herz gelegt. Seit ei - ner Weile werden wie zu gräflichen Zeiten die süßen gelben Früchte gehegt und gepflegt. Die ersten Ananaspflanzen für die wiederaufgelebte Zucht erhielt der Schlossgarten Weikersheim von der Gärtnerei im Fürst-Pückler-Park Bad Muskau. Sie fühlen sich rundum wohl im Hohenlohischen. Das Exemplar einer fruchtenden Ananas ist im Kastellangarten am Schloss zu bewundern. Geplant sind auch Veranstaltungen, bei denen die aromatischen Früchte verkostet werden können. Doch dafür muss man spontan und zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein – wie bei der Weinbergtulpenblüte. Karin Seeber Gartenkonservatorin Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (Texte Seite 25-27)

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